Eine Porträtgrafik mit dem Geistlichen Daniel Wülfer
01.01.2025, Recherche und Text: Dr. Iris Carstensen
Nürnberg war nicht nur Verlagsort, sondern neben Augsburg auch eines der wichtigsten Zentren für Porträtgrafik im Alten Reich. Die evangelische Geistlichkeit griff dieses Ausdrucksmittel gern auf, um damit neben ihren Schriften Bekanntheit und Andenken zu prägen. Geistliche waren Auftraggeber, Empfänger, Sammler, Katalogisierer. Einzelne versuchten sich selbst als Künstler.
Im Rahmen der derzeitig laufenden Erschließung des Porträtgrafikbestandes des LAELKB, gut 1500 Blätter vor allem mit Geistlichen aus dem Nürnberger bzw. süddeutschen Raum, ist hier ein Kupferstich mit dem Porträt des Daniel Wülfer (1617-1685) ausgewählt, bei dem ein besonderes Detail heraussticht.
Der Kupferstich stammt von 1656 und zeigt Wülfer im Alter von 39 Jahren als Prediger an St. Lorenz und Professor für Logik, Physik und Metaphysik in Nürnberg sowie als gräflich oettingischen Kirchenrat, wie die Legende über dem Porträt mitteilt. Die Porträtgrafik ist nach einem typischen Muster zusammengesetzt, d.h., das Porträt ist kombiniert mit verschiedenen, hier durchweg lateinischen Textblöcken: der Legende zum Porträtierten, einem Lobgedicht mit Widmung sowie der Nennung des Stechers.
Der Widmer des Porträtgedichtes wie auch der Stecher haben klangvolle Namen. Es sind Sigmund von Birken (1626-1681), Nürnberger Dichter und wichtiges Mitglied des Pegnesischen Blumenordens, sowie Jakob von Sandrart (1630-1708), der 1662 die Malerakademie in Nürnberg mitbegründete und deren erster Direktor wurde. Wenn Wülfer sich dieser beiden versicherte, zeugt das von Ehrgeiz. Der steile Aufstieg zum Geistlichen und Gelehrten war ihm nicht in die Wiege gelegt worden. Sein Vater war Müller.
Das Porträt selbst ist schlicht und gleichzeitig pointiert inszeniert: Der Geistliche steht in Hüftlänge vor mächtiger alter Quadermauer in einem von links oben fallenden Lichtstreif. Er trägt schimmernde Amtstracht mit gesteiftem Mühlsteinkragen. Mit seinem Blick fixiert er den Betrachter, während er diesem ein aufgeschlagenes Buch vorhält. Allein wie in der Darstellung der Hände die Balance gesucht wird zwischen demonstrativem Zeigegestus und müheloser Eleganz, ist bemerkenswert. Doch eigentlich zum Staunen bringen kann die zur Schau gestellte Miniatur im Buch. Sie zieht mit ihrer Kleinteiligkeit das Auge unwillkürlich an und zeigt drei ineinander verschränkte Rundbilder – Fortuna mit Segel, den Sternenhimmel und das Gottesauge in Wolkenhand. Auch die Umschriften sind zu lesen: „Kein Blindes Glück.“, „Kein Sternen Blick.“; „Ein Gott-Geschik." Am unteren Rand ist zudem als Zeichner der für Miniaturen ausgewiesene Georg Strauch (1613-ca. 1675) aufgeführt.
Häufig ließen sich die Geistlichen mit der Bibel porträtieren. Diese wurde gern aufgeschlagen gezeigt, um den biblischen Wahlspruch des Geistlichen zu präsentieren. Wülfer aber hält sein eigenes Werk vor. Das Emblembild findet sich als ganzseitige Abbildung in seinem 1656 veröffentlichten, Graf und Gräfin zu Oettingen gewidmeten Buch wieder: „Das vertheidigte Gottes=geschick/ und vernichtete Heyden=Glück […] Mit schönen Sinn=bildern/Poetereyen und Liedern gezieret“.
Glaubensaussage, gelehrte Autorschaft und künstlerisches Können werden somit in einem Bilddetail der Grafik in eins gesetzt. Das begleitende Gedicht dagegen geht ganz konventionell von einem hierarchischen Gefüge aus, das die Porträtkunst unterordnet. Es wäre interessant, dem Zusammenspiel des Geistlichen mit dem Dichter und den bildenden Künstlern weiter nachzugehen. Dies gilt umso mehr, als dem Buch selbst ein deutlich bescheideneres Wülfer-Porträt als Frontispiz vorsteht.
Die Grafikerschließung im LAELKB profitiert von anderen Digitalisierungsprojekten, allen voran dem Digitalen Porträtindex, der wichtige Porträtgrafikbestände, darunter die Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel und das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg, zusammenführt und für Überblick und Vergleich unverzichtbar ist. Zu den fortlaufend erweiterten Forschungsmöglichkeiten gehört jetzt auch eine PortApp zur Bilderkennung frühneuzeitlicher Grafik. Ein Besuch des LAELKB lohnt sich, um die Grafiken und das Buch im Original einzusehen.
Grafik: LAELKB, GS 9.5.0007 - 1293, Urheber: Jakob von Sandrart (Stecher), Georg Strauch (Zeichner) u. Sigmund von Birken (Porträtgedicht mit Widmung)
Buch: LAELKB Bibliothek B2 / 12 1097