Archivale des Monats - März 2025

Die ersten beiden Seiten der Schlussrede des Religionsgesprächs von Andreas Osiander
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Osianders Schlussrede auf dem Nürnberger Religionsgespräch im März 1525

01.03.2025, Recherche und Text: Dr. Friedhelm Gleiß

Man könnte annehmen, dass sich im LAELKB sehr viele Unterlagen zur Einführung der Reformation in den verschiedenen Territorien des heutigen Bayern befinden. Dies ist allerdings nicht der Fall, da die Durchführung der Reformation wesentlich durch die jeweiligen Landesherren erfolgte („landesherrliches Kirchenregiment“). Deren Schriftgut wird in den staatlichen Archiven Bayerns und in den Kommunalarchiven verwahrt.

Die Existenz von Unterlagen im Landeskirchlichen Archiv setzt Einrichtungen der lutherischen Kirchen voraus, deren Überlieferung in ihren Nachfolgeeinrichtungen aufbewahrt wurden. Diese kirchlichen Einrichtungen mussten sich im 16. Jahrhundert aber mit der Umgestaltung des Kirchenwesens erst neu bilden und festigen. Dennoch haben es einzelne zeitgenössische Dokumente durch bestimmte Übernahmen, wie die der Fenitzer-Dilherr'schen Bibliothek, in unsere Bestände geschafft. Im Folgenden soll eines dieser Werke vorgestellt werden.

Porträtgrafik (Kupferstich) von Andreas Osiander 1756
Bildrechte LAELKB, Bildlegende s.u.
Porträtgrafik (Kupferstich) von Andreas Osiander aus dem Jahr 1756

Im LAELKB wird ein Handakt des Nürnberger Ratsschreibers Lazarus Spengler mit Unterlagen zur Reformation in Nürnberg verwahrt. Darin ist auch ein Dokument zu finden, das offenbar die Schlussrede Andreas Osianders, des Predigers der Lorenzkirche, auf dem Nürnberger Religionsgespräch im März 1525 darstellt.

Da die freie Reichsstadt Nürnberg ein wichtiges Zentrum des Handels und ein bedeutender Druckereistandort war, hatte sich hier schon früh reformatorisches Gedankengut verbreitet. Wichtig hierfür war auch ein vom biblischen Humanismus geprägter Kreis um Luthers Beichtvater Johann von Staupitz. 1522 wurden die Predigerstellen der beiden Nürnberger Hauptkirchen St. Lorenz und St. Sebald mit den lutherisch gesinnten Theologen Andreas Osiander und Dominicus Schleupner besetzt. Im Jahr 1524 wurden die Deutsche Messe und das Abendmahl unter beiderlei Gestalt in den Nürnberger Kirchen eingeführt.

Das Nürnberger Religionsgespräch, das vom 3. bis 14. März 1525 im Nürnberger Rathaus stattfand, verhalf der reformatorischen Umgestaltung der Kirche endgültig zum Durchbruch. Bei diesem theologischen Streitgespräch nahmen reformatorisch gesinnte Theologen und altgläubige Mönche der Bettelorden zu umstrittenen theologischen Themen Stellung. Neben dem inneren Rat, zu dem ausschließlich Patrizier gehörten und der die eigentliche politische Macht hatte, war der äußere Rat, der nur bei grundlegenden Entscheidungen einberufen wurde, beim Nürnberger Religionsgespräch anwesend. Da die Bibel die einzige Grundlage des Gesprächs bildete, war dessen Ausgang bereits von Vornherein entschieden.

Die altgläubigen Theologen befanden sich in einem Dilemma: Erschienen sie nicht zum Gespräch, konnte die Gegenseite ihnen vorwerfen, sie hätten den reformatorischen Argumenten nichts entgegenzusetzen. Erschienen sie und verteidigten sie die altgläubige Position, erkannten sie damit indirekt die (nicht unumstrittene) Autorität des Nürnberger Rats zur Entscheidung in Religionsangelegenheiten an und griffen den kirchlichen Lehrinstanzen (Bischof, Papst, Konzil) vor. Für den Rat wiederum war die Durchführung des Gesprächs nicht ungefährlich, weil ein kaiserliches Mandat von 1524 religiöse Disputationen verboten hatte. Kaiser Karl V. wollte die Entscheidung über die Religionsfrage durch ein Konzil und den Papst treffen lassen.

Titelblatt Schlussrede des Religionsgesprächs Andreas Osiander
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Titelblatt der Schlussrede des Religionsgesprächs von Andreas Osiander

Osiander fasst im vorliegenden Dokument (in der Schlussrede am Ende des Religionsgesprächs) zunächst Grundlinien der reformatorischen Lehre zusammen: Der Mensch werde nicht aufgrund eigener Verdienste errettet, sondern allein aus Gnade. Das in der Bibel offenbarte Wort Gottes lasse sich einteilen in Gesetz und Evangelium. Durch das Gesetz erkenne der Mensch seine Sünde und merke, dass er sich für sein Seelenheil nicht auf seine eigenen Werke verlassen könne. Das Evangelium diene dazu, Gottes Gnade und die Sündenvergebung zu verkündigen.

Im zweiten Teil der Rede wird die christliche Obrigkeit aufgefordert, Gesetz und Evangelium zur Durchsetzung zu verhelfen. Sie solle das Gottes Wort rein und ungehindert predigen lassen und damit das Nebeneinander der zu „auffrur und zertrennung“ führenden kontroversen Lehren der beiden theologischen „Parteien“ beenden (vgl. Bl. 25r). Aufgabe der Obrigkeit sei es auch, dafür zu sorgen, dass die Menschen das tun, was Gott geboten, und das unterlassen würden, was Gott verboten habe. Was in der Heiligen Schrift nicht explizit geboten oder verboten werde, sei freigestellt (vgl. Bl. 27v).

Die Folge des Religionsgesprächs bestand darin, dass die evangelische Messe auch in den Nürnberger Klöstern verpflichtend eingeführt wurde. Letztendlich legitimierte der Nürnberger Rat hiermit die schon zuvor durchgeführten grundlegenden Veränderungen in Gottesdienst und Kirchenwesen. Die vorgestellte Sammelhandschrift kann im Original im Lesesaal des LAELKB eingesehen werden.

Das vollständige Digitalisat der Schlussrede von Andreas Osiander können Sie hier (9069 KB) als pdf-Datei downloaden.

Sammelhandschrift: LAELKB, Bibliothek Fen. IV 2° 916 (Rede Osianders: Bl. 20r–32v)

Porträtgrafik: LAELKB, GS 9.5.0007 - 987, Urheber: Christoph Melchior Roth (Stecher)


Edition des Dokuments und historischer Hintergrund:

Wünsch, Dietrich: Nr. 43: Schlußrede auf dem Religionsgespräch [1525, März 14], in: Andreas Osiander d.Ä., Gesamtausgabe, Bd. 1: Schriften und Briefe 1522 bis März 1525, in Zusammenarbeit mit Gottfried Seebaß hrsg. von Gerhard Müller, Gütersloh 1975, S. 541–576.

Literatur:

Burger, Helene: Ein reformationsgeschichtlicher Handakt Lazarus Spenglers, in: Zeitschrift für Bayerische Kirchengeschichte 31 (1962), S. 30–39.

Hamm, Berndt: Die Reformation in Nürnberg, in: Theologische Literaturzeitung 136 (September 2011), Sp. 855–874.

Schindling, Anton: Nürnberg, in: Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Land und Konfession 1500–1650, Bd. 1: Der Südosten, Münster 1989, S. 32–42.